August 2011

WIE ALLES BEGANN

Es war im August 2011, als ich zu Besuch bei Freunden war und dort Sandra Beretta kennengelernt habe. Wir haben kaum zwei Sätze gewechselt, als wir merkten, dass wir beide ursprünglich aus der Westschweiz stammen. Also führten wir unser Gespräch auf Französisch weiter, was schnell eine besondere Vertrautheit zwischen uns entstehen liess. Nach kurzer Zeit wusste ich, dass Sandra Beretta während einiger Jahre die Lebensgefährtin von HR Giger gewesen war.
 
HR Giger?! Das evozierte ein paar tief vergrabene Bilder in mir. Auch ich hielt in meiner Jugendzeit das Plattencover «Brain Salad Surgery» der Band «Emerson Lake and Palmer» in der Hand. Der Film «Alien» prägte meine Wahrnehmung des Science-Fiction-Genres dauerhaft. Das Genre gehört seither zu meinen bevorzugten. Bilder wie «Gebärmaschine» oder «Li I» gehörten in meine jugendliche  Bilderwelt. Sie hingen als Poster in Plattenläden, in WGs und Wohnungen von Freundinnen und Freunden.

All diese «Begegnungen» mit der Kunst von HR Giger fielen mir ein, als ich mit Sandra Beretta im Gespräch war. Schon an jenem ersten Abend sprachen wir über einen möglichen Film. Es war einfach naheliegend. Kurz darauf habe ich Hansruedi Giger persönlich kennen gelernt.

Diese erste Begegnung war es, die den Ausschlag gab, dieses Projekt in die Hand zu nehmen. Als ich sein Haus betrat, haben sich meine Eindrücke buchstäblich überschlagen. Als Journalistin und Filmemacherin habe ich schon viele verschiedene Häuser und Wohnungen betreten. Aber so etwas Ungewöhnliches hatte ich bislang noch nicht gesehen. Kaum über die Schwelle getreten, wähnte ich mich in einer komplett anderen Welt. Es war, als ob ich ein Kunstwerk von HR Giger betreten hätte. Dunkel und bedrohlich. Nachdem ich auf einem der «Harkonnen»-Stühle Platz genommen hatte, war ich umringt von Giger-Bildern, Giger-Figuren und Giger-Objekten. Ich traute mich kaum zu blinzeln, diesen Detailreichtum wollte ich mir auf keinen Fall entgehen lassen.

 

Trotz seltsamer Gestalten, Schrumpf- und Totenköpfen fühlte ich mich ganz wohl. Und das lag mit Sicherheit am Gastgeber selbst. HR Giger war freundlich, höflich, einladend. Im ersten Moment schien mir der Schöpfer nicht recht zu seinen Geschöpfen zu passen und umgekehrt. Meine Vorstellung eines unnahbaren Künstlers mit düsterem Charakter ging definitiv den Bach runter, als er Apfelkuchen und Kaffee auftischte und wir über das Wetter plauderten. Es war nicht das, was ich erwartet hatte. Im Gegenteil, es war interessanter und überraschender. Spätestens da begann in meinem Kopf der Film über HR Giger zu spielen.

Ich war fasziniert. Und ich hatte auf einen Schlag tausend Fragen: Wie kann man so leben? Warum will jemand so leben? Wie sieht die Biographie von jemandem aus, der so lebt? Wie ist jemand, der so lebt? Wie sieht sein Umfeld aus, seine Familie, seine Herkunft? Unmittelbar nach diesem Besuch begann ich mit meinen Recherchen.

Seitdem war ich viele Male bei Gigers zu Besuch. Sandra Beretta war eine hervorragende Türöffnerin. Mit ihrer Hilfe konnte ich schnell ein gutes Vertrauensverhältnis mit der Giger-Familie aufbauen. Mit jedem Gespräch, das ich mit Hansruedi Giger führte, mit jeder Person, die ich aus seinem Umfeld kennen lernte, mit jedem Werk, das ich neu entdeckte, wuchs meine Sicherheit, diesen Film realisieren zu wollen.

Belinda Sallin

 

Bei einem der ersten Gespräche über den Film.
v.l.n.r Belinda Sallin, Regisseurin; Müggi III, HR Giger, Carmen Scheifele de Vega, Schwiegermutter
Dezember 2011 © Christian Schwarz

v.l.n.r. HR Giger, Carmen Scheifele de Vega, Schwiegermutter, Carmen Maria Giger, Ehefrau
Dezember 2011 © Christian Schwarz