Das 36. Bild

HR Giger, Mai 2014 © Hannes Schmid

* Belinda Sallin, Regisseurin

Zusammen mit Andreas Peyer besprechen Produzent Marcel Hoehn und ich die  Artwork fürs Filmplakat. Wieder betrachte ich die Fotos, die letzten Portraits von Hansruedi. Hannes Schmid hat phantastische Bilder gemacht. Sehr nah, sehr direkt, sehr authentisch. Dabei war an jenem Nachmittag vom 7. Mai gar nicht so klar, ob sich Hansruedi überhaupt fotografieren lassen mochte. Er fühlte sich nicht so gut und war ziemlich müde. Ausserdem waren die Lichtverhältnisse eher ungünstig, es regnete. Auch in der Küche des Hauses Nr.1, wo sonst etwas Licht durch das dichte Blätterwerk der Bäume durchs Fenster fällt, war es zappenduster. Aber schliesslich kam es so, wie so oft während der ganzen Dreharbeiten. Es hörte auf zu regnen, wir hatten etwas Licht in der Küche und: Hansruedi stellte sich für einen kurzen Moment zur Verfügung.  Ein bisschen noch die Haare gekämmt und fertig fürs Fotoshooting.

Dann konnte ich mich für einmal zurücklehnen und zusehen wie Hannes Schmid, selber ein Star, einer der ganz grossen der Fotografie,  wie er mit einer Leichtigkeit die tollen Bilder von Hansruedi schoss. Hannes hat diese Portraits ohne jegliche Hilfsmittel gemacht. Kein Licht aufgestellt, keinen Hintergrund bestimmt. Einfach nichts. Hansruedi sass genau da am Küchentisch, wo er auch sonst immer sass. Mit einer analogen Foto-Kamera - Hannes schwört auf die alte Schule - hatte er in kaum mehr als fünf Minuten 36 schwarz-weiss Aufnahmen im Kasten. Das eigenartige Surren des zurückspulenden Filmes war ein Geräusch, das aus einer anderen Zeit zu kommen schien. Dazu meinte Hannes nur lachend: „Das waren noch Zeiten. 36 Bilder, dann ist fertig.“ Nur wussten wir da noch nicht, dass Hannes ganz wörtlich Recht behalten sollte. Er machte das letzte, das 36. Bild von Hansruedi.

Kurz darauf zog sich Hansruedi zurück. Hat sich noch bei Hannes bedankt und wie immer nach unseren Dreharbeiten auch bei mir. Und ebenfalls wie immer – es war schon ein kleines Ritual zwischen uns – habe ich darauf geantwortet: „Ich danke dir, Hansruedi.“. Es war das letzte Mal, dass ich Hansruedi sah. Es war ein würdiger Abschluss für unsere Dreharbeiten und – wenn auch leider viel zu früh – ein schöner Abschied.